(Deutsche Fassung am Ende des englischen Texts)
On this website historical research has already been called a blind cow – with the following considerations it shall be clarified why this is a euphemistic term. But now, one by one.
There is certainly a consensus that the starting point of serious research in the humanities is the formulation of relevant questions. Unfortunately, not even specialised historians, let alone all friends of history, seem to be aware that this was criminally omitted in connection with the beginnings of the Swiss Confederation. That’s why we’ve made up for it here.
An important question, yes, perhaps the core question with regard to early Switzerland in general, must not and cannot be otherwise: How is it that in the 14th century subjects with their warlike actions question the Ordo idea (God-given state order)?
Or: How can an illiterate farmer, who draws his spiritual nourishment exclusively from the Sunday sermon, reconcile it with his (eternal) salvation to snatch the authority wanted by God from his horse with a halberd?
Only to demonstrate the justification and absolute necessity of this question: The medieval man acts primarily religiously, Luther has not yet challenged the monopoly of faith of the Catholic Church with the translation of the Bible, the Enlighteners of the 18th century have not yet initiated secularization, there is deepest piety in the Alpine country. The subject is afraid of the priest, who from the pulpit puts the horror of the purgatory and the Last Judgement into his skull. No farmer would still be able to milk his cow quietly if he had to assume that he had turned God’s world order upside down!
These considerations permit only one compelling conclusion – namely that the Confederates enjoy an extremely strong spiritual support when they chase Duke Leopold I from the battlefield near Morgarten and batter the armour of Duke Leopold III near Sempach that the contents breathe out the soul.
It is certainly justified to see the cause of warlike insubordination also in the cities, which are gaining in self-confidence with the increasing flourishing of trade and wealth and are therefore on a course of expansion and confrontation. However, the phenomenon of economic prosperity still does not answer the question of the spiritual context. And without it, no medieval man in his right mind can lift a finger. When the early confederate moves into battle, he firmly believes that God approves, even supports, his martial project and gives him victory.
You can get an impression of this piety by listening to the Kyrie Eleison, with which the Confederates, according to legend, celebrate the victory over the Habsburg aristocracy at Sempach.
Oh yes, by the way it may be guessed who has led this song in an exquisite canon of singing!
Deutsche Fassung:
Auf dieser Website ist die Geschichtsforschung bereits eine blinde Kuh genannt worden – mit folgenden Überlegungen soll verdeutlicht werden, warum das durchaus eine euphemistische Bezeichnung ist. Aber nun alles der Reihe nach.
Es besteht gewiss der Konsens, dass der Ausgangspunkt seriöser geisteswissenschaftlicher Forschung das Formulieren relevanter Fragen ist. Dass dies sträflich im Zusammenhang mit den Anfängen der Eidgenossenschaft unterlassen worden ist, scheint bedauerlicherweise nicht einmal den spezialisierten Historikern, geschweige denn allen Geschichtsfreunden bewusst zu sein. Darum sei das an dieser Stelle nachgeholt.
Eine wichtige Frage, ja, vielleicht die Kernfrage hinsichtlich der Urschweiz überhaupt, muss und kann nicht anders lauten: Wie kommt es, dass im 14. Jh. Untertanen mit ihren kriegerischen Handlungen den Ordo-Gedanken (gottgegebene Ständeordnung) in Frage stellen?
Oder: Wie kann es ein analphabetischer Bauer, der seine geistige und geistliche Nahrung ausschließlich von der Sonntagspredigt bezieht, mit seinem (ewigen) Seelenheil vereinbaren, die von Gott gewollte Obrigkeit mit einer Hellebarde vom Ross zu reißen?
Nur um die Berechtigung und absolute Notwendigkeit dieser Frage vor Augen zu führen: Der mittelalterliche Mensch handelt in erster Linie religiös, Luther hat noch nicht mit der Bibelübersetzung am Glaubensmonopol der katholischen Kirche geritzt, die Aufklärer des 18. Jh. haben noch nicht die Säkularisierung eingeleitet, es herrscht tiefste Frömmigkeit im Alpenland. Der Untertan fürchtet sich vor dem Priester, der ihm von der Kanzel die Schrecklichkeit des Fegefeuers und des Jüngsten Gerichts in den Schädel spitzt. Kein Bauer würde noch ruhig seine Kuh melken können, wenn er davon ausgehen müsste, Gottes Weltordnung auf den Kopf gestellt zu haben!
Diese Überlegungen lassen nur einen zwingenden Schluss zu – jenen nämlich, dass die Eidgenossen einen überaus starken geistlichen Rückhalt geniessen, als sie Herzog Leopold I. bei Morgarten vom Schlachtfeld jagen und den Harnisch von Herzog Leopold III. bei Sempach so zerbeulen, dass der Inhalt die Seele aushaucht.
Gewiss ist es berechtigt, die Ursache der kriegerischen Aufmüpfigkeit auch in den Städten zu sehen, die mit zunehmendem Aufblühen des Handels und dem Reichtum an Selbstbewusstsein gewinnen und darum auf Expansions- und Konfrontationskurs gehen. Das Phänomen der wirtschaftlichen Prosperität beantwortet aber immer noch nicht die Frage nach dem geistlichen Kontext. Und ohne diesen rührt kein mittelalterlicher Mensch bei Verstand einen Finger. Wenn der frühe Eidgenosse in die Schlacht rückt, dann glaubt er fest daran, dass Gott sein martialisches Vorhaben billige, ja gar unterstütze und ihm den Sieg schenke.
Einen Eindruck von dieser Frömmigkeit gewinnt man, wenn man sich das Kyrie Eleison anhört, mit welchem die Eidgenossen der Legende nach den Sieg über das habsburgische Adelsheer bei Sempach feiern.
Ach ja, nebenbei darf geraten werden, wer dieses Lied in einem auserlesenen Gesangskanon geführt hat!